Das Mikrobiom und seine Analysemöglichkeiten

Veröffentlicht am 25. Oktober 2023 um 06:00

Das Mikrobiom umfasst alle Bakterien, die in unserem Haustier besiedelt sind, aber auch ihre Gene und der gesamte Stoffwechsel dieser Bakterien zählen zum Mikrobiom. Der größte Teil davon ist im Darm anzutreffen.

Der Darm kann sozusagen als das Zentrum des Mikrobioms gesehen werden.

Über 100 Billionen verschiedene Bakterien leben im Darm unserer Vierbeiner. Jedes einzelne Bakterium hat seine eigene Aufgabe. Einige arbeiten für und mit dem Immunsystem in der Abwehr. Deswegen sagt man auch, dass 80% des Immunsystems im Darm sitzen.

Das Mikrobiom ist außerdem sowohl mit dem lymphatischen System, als auch mit dem Nervensystem verbunden, es ist am Stoffwechsel beteiligt und somit natürlich auch mit dem Verdauungssystem verbunden.

Alle Schleimhäute, also insbesondere Blasenschleimhaut, Maul- und Nasenschleimhaut sind mit dem Darm vernetzt.

Es ist also das Zentrum der Gesundheit! In den letzten Jahren wurden hierzu weltweit immer mehr Forschungen betrieben, und es werden auf Grund der Komplexität noch viele folgen.

Faktoren die das gesamt Mikrobiom negativ beeinflussen!

Wir wissen mittlerweile, dass viele Faktoren das gesamte Mikrobiom negativ beeinflussen können.

Ein Kaiserschnitt hat einen negativen Einfluss auf die natürliche Entwicklung des Mikrobioms. Auch ein komplett „keimfreies“ Aufwachsen schädigt das Mikrobiom, weil es nichts dazulernen kann.

Auch falsche Ernährung, die oft tiermedizinisch empfohlen wird,  sorgt für einen massiven Schaden am Mikrobiom. Es kommt zu Fehlgärungen, weil das Futter, z.B. Trockenfutter, viel zu lange im Darm verweilt und somit die Darmflora, also das Darmmikrobiom, zerstört.

Das Mikrobiom im Einzelnen:

Zu dem Schleimhaut-Netzwerk, welches als Mukosa-Netzwerk bezeichnet wird - man nennt es auch MALT (mucosa- associatet- lymphoid- tissu), gehören Augen, Nase, Maul, Tränen, Speichel, Lunge, Haut, Magen, Urinaltrakt, Darmschleimhaut und auch der Blutkreislauf. Alle sind miteinander verbunden durch das lymphatisches System.

Das MALT ist eine Ansammlung von lymphatischem Gewebe, und man kann es wie eine kleine Abteilung sehen, wo geschultes Training stattfinden kann.
Das MALT ist verantwortlich für die Immunreaktion dieser Schleimhautoberflächen. Hier findet also die Abwehr von pathogenen Keimen statt.
Im Darm sitzt die Hauptzentrale für das MALT, das Trainingszentrum.

Die Zellen des mukosa-lymphatischen Systems werden leer gebildet, es sind unreife Zellen. Das Einzige, was sie wissen, ist, wo sie hingehören. Sie wandern also in eines der MALT-Trainingszentren und lernen dort die Abwehr und wie man Antikörper produziert.

Die Lehrer vor Ort sind bereits geschulte Zellen. Es findet ein ständiger Austausch zwischen den Immunzellen und den Bakterien statt.
Vom Darm aus gelangen sowohl die geschulten Immunzellen, als auch ihre Botenstoffe über das Blut- und dem lymphatischen System weiter in den gesamten Körper, um dort weitere Zellen zu trainieren.

Weil der größte Anteil vom Mikrobiom im Darm ist, spricht man auch davon, dass im Darm 80% des Immunsystems ist. Man nennt dies auch das darmassoziierte Immunsystem.

Die wichtigsten Bakterien für das Immunsystem sind:

  • Escherischia coli
  • Enterococcus
  • Bifidobakterien
  • Milchsäurebakterien

Es gibt vier große Gruppen der Bakterien.
Es gibt Gramm-negative und Gramm-positive Bakterien. Gramm-negative Bakterien haben eine etwas dünnere Außenschicht als Gramm-positive Bakterien.
Außerdem werden sie noch in aerobe Bakterien, die für ihren Stoffwechsel Sauerstoff benötigen, und in anaerobe Bakterien, die in sauerstofffreiem Milieu leben, unterteilt.

Um die Darmflora des Haustieres genauer kennen zu lernen, sollten wir uns mit zwei Dingen beschäftigen.

  1. Wo sind welche Bakterien zu Hause?
  2. Der Begriff Lactobacillus ist lediglich ein Oberbegriff einer Gruppe. Es gibt viele verschiedene Lactobacillen.

Wo sind welche Bakterien zu Hause

Im Magen finden wir die Gruppe der Lactobacillen sowie auch der Helicobacter.

Im Zwölffingerdarm und im Dünndarm lebt nur die Gruppe der Lactobacillen.

Im Dickdarm finden wir die größte Anzahl an Bakterien, die gesamte Gruppe der Firmicutes, Bacteroides, Proteobacteria und Actinobacteria.

Bilder gezeichnet von Martina Weiher https://www.kunsthaus-weiher.de/

Der Begriff Lactobacillus oder Bifidobacterium ist nur ein Oberbegriff einer Gruppe, es gibt viele verschiedene Lactobacillen:

Lediglich zwei Bakterienstämme, die lt. EU-Verordnung für Hunde (und auch Katzen) zugelassen sind. Das sind Enterococcus faecium und Lactobacillus acidophilus

Um das einmal verständlicher zu erklären, nehmen wir ein Beispiel.

Der Familienname Müller ist in Deutschland weit verbreitet, ebenso wie der Vorname Julia. Es gibt also viele verschiedene Julia Müllers. Jede hat einen anderen Beruf, eine andere Haarfarbe, jede ist Individuell! Genauso ist dies auch mit den Bakterien. 

In unseren Haustieren bekannte und erforschte Bakterien sind:

Die Milchsäurebakterien:

  • Lactobacillus acidophilus: dieser dient als Wächter der Gesundheit im gesamten Verdauungstrakt Ihres Haustieres.
  • Lactobacillus casei: ist bekannt, dass er in Symbiose mit anderen guten Bakterien arbeitet, um das Wachstum der guten Bakterien zu bewirken.
  • Lactobacillus plantarum: ist besonders im Dünndarm aktiv und hilft dabei die Nährstoffe, Vitamine und Mineralstoffe in die Zellen Ihres Haustieres zu bringen.
  • Lactobacillus rhamnosus: ist besonders aktiv, wenn die Darmflora aus dem Gleichgewicht geraten ist, um diese wieder zu stabilisieren. Außerdem ist er bei Magen-Darm-Beschwerden aktiv.
  • Lactobacillus bulgarious: arbeitet mit anderen Lactobacillus-Stämmen zusammen, um den Körper mit Antioxidantien zu versorgen.
  • Bifidobacterium lactis: ist oft in Joghurt zu finden und stimuliert die Immunreaktionen.
  • Bifidobacterium animalis: ist für eine optimale Gesundheit und zum optimalen Schutz im Verdauungstrakt wichtig.
  • Bifidobacterium longum: ist für den reibungslosem Ablauf des Verdauungssystems zuständig und hilft das Immunsystem zu trainieren.
  • Bifidobacterium bifidum: fördert eine gesunde Balance der Flora und verhindert Über- oder Fehlbesiedelungen im Darm Ihres Haustieres.

weitere Bakterien:

  • Bacillus coagulans: nennt man die Bakterie, die sofort zur Stelle ist bei Darmbeschwerden und hilft diese zu regulieren.

  • Enterococcus faecium: ist besonders am Training des Immunsystems beteiligt. Hier liegt ein großer Fokus bei den oberen Atemwegen. Er hilft aber auch bei Magen- und Darmbeschwerden das Gleichgewicht wiederherzustellen.

  • Faec.Prausnitzii: ist einer der größten Butyrat Bildner (Butyrat ist essenziell, um die Gesundheit Ihres Haustieres zu erhalten.) Durch seine verstoffwechselnden Produkte wie Butyrat und andere antientzündungswirkende Stoffe, wirkt es besonders auf die Darmschleimhaut und deren Gesundheit.

  • Blautia: sie verstoffwechseln Glukose und Kohlenhydrate und verhindern das metabolische Syndrom (Bluthochdruck sowie Zucker- und Fettstoffwechselstörungen). Es gibt bisher 24 verschiedene Blautia-Bakterien. Im Hund wurden bisher 2 davon erforscht, nämlich Blautia glucerasea und Blautia argi.
    In einer Humanstudie konnte nachgewiesen werden, dass es einen Zusammenhang zwischen Herzerkrankungen und der Verminderung von Blautia gibt.

  • Turicbact. spp: verstoffwechseln kurzkettige Fettsäuren und produzieren Butyrat.

  • Clostrid.hiranonis.: unterstützt den Abbau von schlechten Gallensäuren, welche zytotoxisch sind und die Entstehung von Karzinomen begünstigen.

  • Escherichia Coli: erfüllen wichtige Funktionen für den Stoffwechsel. Sie sind nützlich bei der Produktion von B-Vitaminen und dem Vitamin K. Zudem wirken sie unterstützend bei der Zerlegung von Nährstoffen, wie Proteinen und Kohlenhydraten.

Darmflora-Test oder Mikrobiom-Test, was ist sinnvoll, und worauf sollte ich achten?

Eine Mikrobiom-Untersuchung ist bisher noch nicht beim Haustier verfügbar. Es gibt aber unterschiedliche Darmflora-Screens, die man durchführen lassen kann.

Warum ist das wichtig?

Eine gesunde und ausgeglichene Darmflora wirkt sich positiv auf den gesamten Organismus, somit auch auf Haut, Fell, Ohren, Schleimhäute die Abwehrkräfte und vieles mehr aus. Dies alles konntet ihr ja bereits unter der Auflistung der Bakterien nachlesen.
Daher macht es Sinn, regelmäßige Kontrollen der Darmflora zu machen. Erkrankungen und die Gabe von Medikamenten, besonders Antibiotika und Magensäureblocker, schädigen die Darmflora.*³

Doch welcher Test ist geeignet?

Möchte ich Informationen über die gesamte Anzahl der Bakterien haben, dann ist der Test bei Idexx oder Laboklin zu empfehlen.

Allerdings sagt das Ergebnis nichts über die einzelnen Bakterien-Gruppen aus.
Es wird weiterhin noch auf Bakterien, wie Faec.Prausnitzii, Turicbact. spp sowie Blautia getestet. Ist die Gesamtzahl jedoch niedrig, so sollte die Darmflora beim Wachstum unterstützt werden. Dies geht nur mit den Milchsäurebakterien oder Entercoccus oder Ecoli. Doch ohne zu wissen, ob diese auch tatsächlich vermindert sind, sollte keine Supplementation gemacht werden, denn sonst kommt es auch zu einer Dysbiose, wie in einer neuen Studie Juli 2023*¹ bestätigt werden konnte.

Besonders wenn der E-Coli bereits erhöht ist, kann durch eine Zufütterung von Bakterien, wie z.B. dem Enterococcus, der Ecoli sich weiter vermehren und dies kann somit zu schlimmeren Symptomen führen.

Auch ist bekannt, dass wenn z.B. Bifidobakterien überhandnehmen, diese gerne in den Dünndarm wandern, wo sie nicht hingehören. Dort lösen sie dann eine SIBO aus.

Klar ist, wenn eine Störung im sensiblem Mikrobiom vorliegt, sollte diese genau untersucht und die Behandlung angepasst und mit Pro- und Präbiotika unterstützt werden. Dies wurde in zwei Studien 2017 und 2021 bestätigt*².

Nutzt man Probiotika mit wenig Bakterien, so führt dies sicherlich nicht zu Nebenwirkungen. Benutzt man allerdings Probiotika mit vielen Bakterien, können Nebenwirkungen entstehen.

Ich erinnere mich an einen Fall vor ein paar Jahren. Das Tier einer Kundin war bei einer Tierheilpraktikerin in Behandlung und erhielt enorm viele Probiotika.

Dieses Tier kam dann zu mir als Akut-Patient mit starker Kolik und Pankreatitis. Nach dem Absetzen der vielen Mittel ging es diesem Tier schon wesentlich besser. Für mich war dies der praktische Beweis, dass viele Probiotika auch Schaden anrichten können.

Es gibt noch ein weiteres Labor für Tiere, das einen Darmflora-Test durchführt: Das Enterosan Vet Labor. Hier wird nicht die Gesamtzahl getestet, sondern einige Darmflora Bakterien, die wir mit den Probiotika auffüttern können. Somit kann ich ganz gezielt schauen, wie ich die Stimulation vornehmen kann.

Es werden noch weitere Parameter angeboten, die man testen lassen kann. Ein paar habe ich auf meiner Webseite schon erklärt, weitere folgen.
Den Link dazu findet ihr hier: Diagnostische Parameter bei der Kot Untersuchungen für Hund und Katze.

Aktuell wird viel über Sinn oder Unsinn dieser Untersuchungen diskutiert. Argumente, es gebe noch keine tierspezifischen Referenzwerte oder es gebe Tiere, die hätten trotz hoher Werte keinerlei Symptome, werden hier genutzt.

Referenzbereiche entstehen mit statistischen Verfahren aus Untersuchungsergebnissen gesunder Tiere. Der Referenzbereich umfasst definitionsgemäß die zentralen 95 Prozent aller gesunden Tieren und deren gemessenen Werten.


Nehme ich das Beispiel aus meiner Praxis, kann ich bereits klar eine Tendenz sehen. Bei Hunden und Katzen aus meiner Praxis mit chronischem Durchfall senken sich die hohen Werte nach der Behandlung, gleichzeitig geht es den Tieren besser.

In einer Studie von 2018 wurde z.B. auch bestätigt, dass die mukosalen Immunantworten und die Zusammensetzung der Darmmikrobiota von Hunden dem Menschen sehr ähnlich sind. *⁴

Tiere sind immer individuell. Ich kenne Nierenpatienten mit schlechten Blutwerten, denen sieht man gar nichts an und andere mit gleichen Werten sind schwer krank. Trotzdem haben beide Tiere eine Nierenerkrankung.

Mein Fazit:

 Es gibt so viele Studien und auch Artikel für und gegen Darmfloratests beim Haustier. Wenn ihr sowas lest, schaut euch an, wer diesen Artikel geschrieben hat und welche Studien als Quellenangaben herangezogen wurden.

Besonders zum Mikrobiom sind veraltete Studien oft hinfällig. Auch heute noch weiß man recht wenig zu dieser komplexen Thematik. Aber die Forschung geht stetig weiter und daher sollten die Studien nie älter als 3 bis 5 Jahre sein.

Ist dein Tier darmkrank, können dies die Tests von Idexx, Laboklin sehr gut anzeigen. Für die richtige Behandlung empfehle ich den Test bei Enterosan Vet.

Quellen:
*¹ Die canine intestinale Mikrobiota – Beeinflussung durch ein Synbiotikum- 1
LABOKLIN GmbH & Co. KG, Steubenstr. 4. 97688 Bad Kissingen, 2
Boehringer Ingelheim Vetmedica GmbH, Bingerstr. 173, 55216 Ingelheim am Rhein

https://www.vetmedica.de/studie-mikrobiom-juli-2023.pdfx

*²(Hoek and Merks, 2017; Saa et al., 2021

https://bmcsystbiol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12918-017-0430-4

https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/a-1658-5655

*³ Einfluss der oralen Behandlung mit Amoxicillin und Amoxicillin/Clavulansäure auf die Bakterienvielfalt
und die β-Lactam-Resistenz in der fäkalen Mikrobiota des Hundes
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31778166/

*⁴ Schleimhautimmunität und Darmmikrobiota bei Hunden mit chronischer Enteropathie
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30504001/

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